Rezensionen

Enrico Crispolti

Dem Künstler Vallazza ist das Holz als natürliches Medium zur Verwirklichung seiner geistigen Visionen so vertraut wie es nur ein Werkzeug sein kann, das wir alltäglich zum Schreiben verwenden. Mehr noch: es ist das “Mittel” schlechthin, in dem er sich als Mensch wiederfindet und so Gedanken, Gefühle, Launen, Ängste, Träume und Hoffnungen ausdrückt. So gesehen ist Holz für ihn keineswegs nur “Natur” im gewöhnlichen Sinne des Wortes, weil es ja ein höchst natürliches Material ist, gewissermaßen ein Symbol für die Natur, an die es uns erinnert. Holz ist darüberhinaus ein Teil “seiner”ureigensten Natur, nämlich der Natur seiner Grödner Heimat, in der es allgegenwärtig ist und der Bevölkerung des Tales seit eh und je als Arbeitswerkzeug, als Waffe, als Mittel zum Überleben und zum künstlerischen Schaffen dient. Hier begegnen ihm die Menschen als eine alltägliche Erfahrung der Sinne und des Geistes.

Im Holz spiegelt sich ebenfalls die Geschichte und die Kultur seiner Heimat wieder. Es ist die Geschichte einer konstruktiven Tätigkeit und eines schöpferischen Handwerks, das den Talbewohnern zuallererst eine Existenzgrundlage sicherte: durch den Bau eines eigenen Heimes, das Anfertigen von Arbeitsgeräten, aber auch von Kult – und Erinnerungsgegenständen, noch bevor es zu ihrer kommerziellen Vermarktung kam. In der künstlerischen, dem Holz verpflichteten Arbeit in Vallazzas Famolie offenbart sich liebevolle Anhänglichkeit und eine die Jahrhunderte überdauernde Kontinuität. Diese enge Vertrautheit damit bedeutet indessen nich bloß passive Anpassung, sondern vielmehr eine aktive Teilnahme am schöpferischen Entwerfen. Ich meine damit, daß Holz für Vallazza im höchsten Grade auch immer “Kultur” des Holzes ist, indem er auf die in ihm vorhandenen formalen Möglichkeiten hinsichtlich der bildlichen Kommunikation und somit der Geschichte der modernen Bildhauerei aufmerksam macht. Materialien der modernen “historischen” Bildhauerei bis in die heutige Zeit. Künstler wie Ernst Barlach, Arturo Martini, Constantin Brancusi, Pericle Fazzini und Étienne-Martin – um nur einige zu nennen – bilden kreative Höhepunkte dieser Entwicklung. Seit Anfang der siebziger Jahre geht Vallazza einen sehr persönlichen Weg, gekennzeichnet durch eine Reihe von schöpferischen Schritten, welche alle als eine Art “Vorgeschichte” seiner gegenwärtigen Bildhauerei anzusehen sind: Etappen einer tiefempfundenen, unzweilfelhaften Berufung und gleichzeitig in sich abgeschlossene, bedeutungsvolle kreative Momente, die man nicht übersehen sollte, um seine künstlerische Produktion zu verstehen. Überblickt man die letzten dreißig Jahre, so scheint mir die Bedeutung der Holzkunst Vallazzas in ihrer Gesamtheit vom eigenwilligen, selbstbewußten Versuch geprägt zu sein, den an sich bescheidenen Werkstoff einer alltäglichen (da lebensnotwendigen) handwerklichen Tätigkeit auf eine höhere Stufe, jene der reinen Schöpfung, der Kultur des Bildes zu bringen. In diesem Spannungsfeld dürfte sicherlich auch die Vielseitigkeit seiner künstlerischen Ausbildung eine Rolle gespielt haben. Sie beschränkte sich nämlich nicht auf das handwerkliche Geschick und die darin zu erlernenden Virtuositäten, sondern umfaßte auch die Malerei in ihrer kommunikativ ausgerichteten Dimension. Aus einer am Ende der fünfziger Jahre expressionistischen Ausdrucksweise besonderer Intensität wurde gegen Mitte der sechziger Jahre eine in ihrer kompositorischen Anlage entfernt an den Kubismus tendierende Malerei, die jedoch später in eine eher marginale Rolle gegenüber seiner Haupttätigkeit als Bildhauer geriet. Sein malerisches Schaffen dokumentiert das gesamte Bemühen eines Künstlers, über die figurale Darstellung seine eigene Identität in Verbindung mit dem Anderen, der Natur, der Gesellschaft und der Geschichte zu finden.

Um es auf einen Punkt zu bringen: Wegen seiner vielfältigen Beschaffenheit und seines verschiedenen Ursprungs ist Holz für Vallazza die Grundessenz seines Schaffens. Damit meine ich: “Sein” Holz hat eine ihm innewohnende Individualität, insbesondere dann, wenn es sich um Holz handelt, das eine eigene Geschichte der Nutzung hat, wie jenes, das von alten und verfallenen Hütten stammt. An diesem vom Menschen bereits bearbeiteten, von der Zeit und der Verwitterung gezeichneten Material lassen sich alte Arbeitstechniken eines Bergvolkes, ja sogar eine bestimmte ökologische Situation ablesen. Dieses vielseitige Material behandelt Vallazza seit Beginn der siebziger Jahre – in der Zeit seiner Totem-Arbeiten – mit höchster Sensibilität, damit die expressive Kraft seiner verschiedenen Merkmale nicht verlorengeht, sondern, im Gegenteil, durch eine sehr persönliche Bildersprache noch mehr an Bedeutung gewinnt. Dabei benutzt er die Maserung, die Wurmstiche, die kräftigen Spuren der Verwitterung, und darüberhinaus die verschiedene Konsistenz und sogar seine Chromatik. Seine Bildwerke sind das Ergebnis eines durch und durch strukturierten Kontrapunktes von materiell verschiedenartigen Elementen vor dem weiten, gewissermaßen allumfassenden Horizont des Holzes.

Danilo Eccher

Die Kunst des Adolf Vallazza entwickelt sich im Rahmen eines zweifachen und zweideutigen Prozesses: da ist einerseits der Ablauf der Erzählung, welche die eigenen Wurzeln mit dem anthropologischen Einfluß der Sagen aus den Dolomiten konfrontiert; andererseits handelt es sich um das ständige und unermüdliche Experimentieren mit der Materie, in deren Verlauf die Maserung und ihr Farbenreichtum erforscht werden. Obwohl diese Zweiteilung an keine Grenzen zu stoßen scheint, unterscheidet es sich nicht von einem Werk, das niemals festgelegt werden kann, sondern aufmerksam betrachtet werden muß, damit man die minimalen Erschütterungen auffangen kann, welche die Erzählung und die Sprache durcheinanderbringen. Wie in einem kontinuierlichen “Vergrößern“ versinkt die Kunst Adolf Vallazzas in der rauhen Oberfläche einer esoterischen Materialität oder öffnet sich den visionären Träumen einer tausendjährigen Phantasie. Dieselbe Kraft, die den Blick auf die rostige Oberfläche lenkt, projeziert das Bild in eine irreale, zeitlose Dimension, in der die Erzählung sich auflöst und mit der Legende verschmilzt. Unter dieser Perspektive und bei solchen Voraussetzungen ist es nicht einfach, Anreize und Rückschläge einer Kunststudie, wie im Falle der über Adolf Vallazza, zu bestimmen; ganz gewiß kann man keine ausgearbeiteten Hinweise geben, die dieser Arbeit einen weiteren theoretischen Hintergrund und eine solide evokative Feierlichkeit verleihen. Die Wachs-Ätzungen von Medardo Rosso mit ihren geschmolzenen Verformungen weisen faszinierende Parallelitäten, hinsichtlich des dramatischen Ausdörrens von Materie zu den Skulpturen von Vallazza, auf. Aber auch die romanische Wesentlichkeit der ersten Keramiken von Arturo Martini hat unübersehbar stimmungsmäßige Entsprechungen im verfeinerten Primitivismus der Holzarbeiten des Bildhauers aus dem Grödnertal.

Nach und nach können Bezüge zu zeitgenössischen Künstlern hergestellt werden: die gigantischen Einkerbungen beim Österreicher Fritz Wotruba, die Montumentalität bei Pino Castagna, die Energie bei Umberto Mastroianni, die natürliche Sakralität der Iglos von Mario Merz. Die tausend und mehr Eichen, die Joseph Beuys in Kassel neben gigantischen Monolythen pflanzte, unterschieden sich konzeptionell nicht von der Art Vergötterung der Natur, die Vallazza mit seinen eigenen Totem vollzieht. Die Werke Adolf Vallazzas sind bewußt Protagonisten ihrer Zeit; sie haben eine solide und starke Struktur und stellen ihre Rolle dar, verkörpern die Entschlossenheit dessen, der die Komplexität der eigenen Umwelt kennt und die Schwierigkeit, sich in ihr zu bewegen. Als archaische Zeugen einer visionären Urphantasie sprechen diese irrationalen Vögel, diese unwahrscheinlichen Throne von barbarischer Robustheit ihre klare Sprache, die sich auszeichnet durch expressive Kraft und künstlerischen Mut. In den ersten Werken der sechziger Jahre beherrschte, nicht ohne Eleganz und Raffinesse, das erzählerische Element das gesamte bildhauerische Vorgehen. Der sprachliche Gesichtspunkt war eher rezitativ gemeint und weniger auf die eigene experimentelle Physiognomie ausgerichtet. Bei diesen Arbeiten stützt eine nüchterne aber wesentliche Art von Figuren den ganzen Umbruch des Werkes: gespenstische Figuren, im wesentlichen konisch wie die Bronze-Skulpturen von Alberto Giacometti, suggerieren, durch einen Vorgang der ständigen Entfleischung, die nach innen gerichtete Suche nach der geheimen Seele der Figuren. Schmächtige Gestalten, die an etwas erinnern, das irgendwie zwischen Felsenmalerei und den gebildetsten philisophischen Einflüssen schwebt; Werke mit einer stark deskriptiven Ausdruckskraft anbieten.

Sehr bald überragt die sprachliche Strenge, die zur beständigen Vereinfachung des Materials neigt, die Erzählung; diese Wesentlichkeit bringt einen leichten Anklang an die Barockkunst hervor, was das Auge völlig von der analytischen Sichtweise ablenkt. Wenn man sich vom Bild löst, spult sich eine überraschende immaginäre Welt ab: Die Materie entdeckt im eigenen Körper eine ausdrucksstarke Virtuosität, welche durch die Unbeweglichkeit der Figur nur erahnt werden konnte. Mit der Zeit hat sich in den Werken von Adolf Vallazza eine evokative Atmosphäre entwickelt, die dazu beiträgt, die Abstraktion von Materie zu definieren, welche heute diese Skulpturen zu charakterisieren scheint. Die Totem von Adolf Vallazza sind das Ergebnis einer breitangelegten bildhauerischen Laufbahn, eines Weges, der die wichtigsten künstlerischen Erfahrungen der letzten zehn Jahre zusammenfaßt und uns somit einen hochwertigen Künstler mit starker persönlicher Ausdruckskraft zeigt. Seine Skulpturen stellen einen wichtigen Teil zeitgenössischer plastischer Studien dar, indem sie jene kreative Spiritualität des Alpenraums hervorheben, die geeignet ist, die eigene Geschichte zu bewahren und dabei weiter in die Zukunft zu gehen. Die Kunst Adolf Vallazzas scheint gebildet und verfeinert im kompositorischen Vorgehen und gleichzeitig grob und heftig im kreativen Prozess; es ist eine Kunst, welche die eigene Komplexität im Gefühl der Verflechtung von erfundener Geschichte und sprachlicher Analyse enthüllt.

Aldo Gorfer

In den letzten zwanzig Jahren tritt im bildhauerischen Werk Vallazzas ein tiefgreifender geistiger und formaler Umschwung ein, und seine Arbeiten scheinen mit dem Ruhmesglanz seines Heimattals nichts mehr zu tun zu haben. Diese Revolution, die in der kulturellen Tradition des Grödentals einzig dasteht, ging schrittweise, aber entschieden vonstatten. Am Anfang stehen die “Don Quixotes”, die als Vorläufer aller späteren Totems angesehen werden können. Die einzelnen “Perioden”, wie Vallazza sie gern definiert, als wollte er die Metrik seines künstlerischen Werdegangs messen, folgen in äußerst regelmäßigem Rhythmus aufeinander: auf die dem bäuerlichen Leben gewidmete “Periode” folgt die der sakralen Bildwerke (Vallazza nahm mit bedeutungsvollen Arbeiten an mehreren Ausstellungen für sakrale Kunst teil), auf die expressionistische Periode mit instinktiven Reminiszenzen der großen mittelarterlichen Vorbilder folgen die der Torsi und der Roboter und schließlich die gegenstandslose Periode, die mit nichts anderem verglichen werden kann. Sie ist “Vallazza”. In den Jahren 1973 und 1975 schafft Vallazza abstrakte Skulpturen und Skulpturengruppen, die sich auf das menschliche Leben und den Alltag beziehen oder auf die Tierwelt (Insekten, Saurier, besonders Raubvögel). Unter diesen von einer geometrischen Konzeption getragenen Arbeiten findet man exotische Adler, die an indianische Totems erinnern, Eulen aus geheimnisumwitterten Wäldern oder von Bergbauernhöfen, die mit ihrem nächtlichen Ruf Unheil ankündigen, archaische Reminiszenzen, die von Träumen verklärt werden. Eine magische Welt, die die Geschichte des Holzes, der Berghütten und der holzgetäfelten Stuben einschließt, die die Talbewohner auf ihrer generationslangen Reise begleitet und den Sagen und Märchen zugehört haben.

Ja, Vallazza liebt Holz, das Geschichte und Geschichten erzählt. Und ein Produkt dieser seiner verzauberten Liebe für geschichtsträchtiges Holz sind die Totems, in deren geometrischer Phantasie er menschliche Figuren und rätselhafte Vögel einschließt. Als der Maestro sich eines Morgens zu seinem Atelier begab, sah er, wie altes Holz, das von einem demolierten Heustadel zurückgeblieben war, abgeladen wurde, um als Brennholz zersägt, zerhackt und verfeuert zu werden. Und voller Melancholie dachte er an die vielen Generationen von Bauern, die mit diesen Hölzern gelebt hatten und deren Erinnerung nun ein für allemal ausgelöscht werden sollte. Zur Verwunderung seiner Landsleute begann er in dem riesigen Haufen herumzusuchen. Ihm kamen abgenutzte Holzstücke in die Hand, naive volkstümliche Ornamente, die von wechselvollen Zeiten und vom Alltag unbekannter, namenloser Menschen erzählten, von ihrer Arbeit auf den Feldern, im Wald, auf der Weide und im Stall, von ihrer Teilnahme am religiösen und zivilen Leben.

Er dachte an die Zähigkeit und das Leiden der Bäume, die vor wer weiß wie vielen Jahren oder gar Jahrhunderten gelebt hatten, entdeckte im Holz Zeichen der menschlichen Arbeit. Die Form der Knoten, die Maserung, die Anordnung der Jahresringe, die alten, von der Witterung zersetzten Splinte – und dann die Farben, vor allem die Farben, die Farbnuancen, die die einzelnen Holzarten kennzeichnen und die von der Zeit und vom Menschen verstärkt oder abgeschwächt worden waren: eine ganze, riesige Inkunabel aus Holz, ein Ganzes aus Systemen und Klängen, die vom Leben harmonisiert worden waren. Bis dahin war das Holz für Vallazza nichts anderes gewesen als ein Material, mit dem er eine Idee oder ein Sentiment zum Ausdruck bringen konnte – ein Material wie Ton, Wachs oder Plastilin, aus denen er die Modelle für seine Bronzearbeiten und Statuen formte. Von diesem Moment an dagegen erdachte und “erfand” er eine neue, bis dahin unbekannte Kunstform, die implizite mit den Urzeiten der Welt verbunden war, als der Mensch der Natur seine ganz persönliche Vision der Umwelt aufprägte. Die “Throne”, die “Stühle”, die “Thronsessel” und die Totems stellen somit eine bewußte, bestimmte Welt der Verantwortlichkeit dar, die dem Künstler in der Geschichte zukommt, insofern er ein Protagonist der Kultur seiner Heimat ist.

Fred Licht

Ich glaube, Vallazzas Werk steht im Zeichen dieser Tradition und bekennt sich dazu, ohne daß eine solche Perspektive seinen Arbeiten etwas von ihrer Einmaligkeit nimmt. Seine Bildersprache wurzelt, bei aller Berücksichtigung und Weiterführung der wesentlichen Werte der herkömmlichen Holzplastik, voll und ganz in den Anforderungen, Möglichkeiten und Ausdrucksformen des späten 20.Jahrhunderts. Mehr als alle anderen gegenwärtigen Bildhauer verstand er es, sich den Reichtum an Ideen, die gestalterische Freiheit und die Intentionen unseres Zeitalters zunutze zu machen.

Trotzdem wäre es sinnlos und wenig zielführend, wollte man die Bedeutung seines Schaffens daran messen, daß man es irgend einer großen modernen Strömung zuordnet. Schon ein flüchtiger Blick verrät es: Vallazzas Kunst ist streng zeitgenössisch mit einigen Parallelen zum Kubismus, aber auch in gewisser Weise dem Surrealismus und dem Konstruktivismus verpflichtet. Diese denkbaren Zusammenhänge sind aber so lose, daß sie zurücktreten, sobald man sie genauer unter die Lupe nimmt. Am ehesten, so scheint es mir, dürfte die Nähe zu J. Gonzalez und seinem Oeuvre zutreffen, und zwar nicht aufgrund einer äußerlichen, formalen oder in ihrer Einstellung begründeten Ähnlichkeit, sondern weil sich keiner von beiden an eine bestimmte Schule, an einen bestimmten Trend oder an eine bestimmte Ideologie gebunden fühlte. Beide sind in einer spontanen und ungezwungenen Art und Weise nur sie selbst. Mehr als andere Künstler verstanden sie es, sich mit dem inneren Wesen ihres Materials – Gonzalez mit dem Eisen und Vallazza mit dem Holz – auseinanderzusetzen und, ohne davon abhängig zu sein, sich frei und autonom zu behaupten.

Die absolute Originalität der formalen Sprache Vallazzas verbindet sich mit einer unerschöpflichen Vielfalt, die ein weites Feld von Assoziationen erschließt. Sie ermöglichen eine persönliche Interpretation und einen persönlichen Umgang mit dem, was man sieht, indem der Betrachter seine eigenen Eindrücke zur Geltung bringen kann.

Giuseppe Marchiori

Aber auch in der traditionellen Fertigkeit eines “Berufs”, der in der Skulptur des Holzes oftmals zur Meisterschaft aufsteigt, stellt Vallazza die “moderne” Ausnahme dar, ja sogar den einzigartigen Fall eines schöpferischen Holzschnitzers, ausgestattet mit seltenen Qualitäten an Ausdrucksmöglichkeit und Meister in der schwierigen Kunst, neue Arten plastischer Schau anzubieten. Jedes Bild erhält auch dann dichterische Dimension und sinnbildliche Bedeutung, wenn sich Vallazza bei der Wiederverwertung bestimmter phantastischer Elemente, die von den romanischen Bestiarien angeregt sind, irgendwie der art brut nähert, die von Dubuffet in den echtesten Arten der Volkskunst aufgespürt worden war.

Ausser Zweifel steht jedenfalls, dass es sich um ähnliche Wege im Bereich der Forschung handelt, wie sie sich als Reaktionen auf die Strenge des Konzepts konkreter Kunst des rationellen Konstruktivismus erklären. Die Wege eines Mannes, der das knorrige und geäderte Holz in seiner umfangreichen Vielfalt an Farben und Beschaffenheit als den geeignetsten Stoff dazu betrachtet, der Welt seiner Phantasie Ausdruck zu verleihen. Und gerade die Verwendung verschiedener Holzarten von alten Almhütten oder alten abbruchreifen Bauten ist für Vallazza edle Kunst; zumal es sich um zerfressene oder angeschlagene Bretter oder Balken handelt, versehen mit Rillen und Flächen, die Faserungen und Aderungen zeigen und sich so für eine Zeichnung verwerten lassen; eine Zeichnung, die dem Innern entspringt und wie eine äusserst ausdrucksvolle Geheimschrift zu deuten ist. Mit dieser Vielfalt an Holzarten formt Vallazza die Alpdruck- und Traumgestalten, die heraldischen und wuchtigen Figuren, dem antiken Gesetz des Frontalen folgend. Das einfache (aber auch wieder nicht so einfache) Geheimnis Adolf Vallazzas liegt in der Beachtung gewisser traditioneller Regeln des Verbindens mittels Verkeilungen der beweglichen Teile, in die sich das Bildwerk gliedert, wobei er diesen aufbauende und nicht – wie es der moderne Brauch will – wetteifernde Aufgaben zuordnet. So ist es möglich, die Komposition ihren verschiedenen plastischen Elementen nach zu untersuchen: sie wiederaufzubauen in ihrer monumentalen Beschaffenheit archaischen Prunks, durch die Verwendung von verschiedenen scharf behauenen oder in ihrer formlosen Masse bearbeiteten Holzarten, die oftmals eine Spur leicht gefärbter oder schwarz-weiss gehaltener Schnitzerei oder auch Reliefdekorationen zeigen. Auf eine völlig neue Art drückt Vallazza das Naturempfinden aus, die Ruhe des Geistes, die betrachtende Abgeschiedenheit des Einzelgängers, der sich durch trügerischen Schein nicht täuschen lässt.

Aus einer Reihe von Verneinungen ergeben sich, als poetische Folgerung, seine heutigen Skulpturen und hat das eifrige Forschen den Künstler dazu veranlasst, sich jeglicher Spur von gestaltendem Manierismus handwerklicher Prägung zu entledigen. Nach und nach hat Adolf sich selbst in den Erscheinungen einer Welt gefunden, die – vergessen oder verloren – dagegen in seinem Unterbewusstsein versteckt lebte, um dann in den geheimnisvollsten und zauberreichsten Aspekten jener Skulpturen wiederaufzuleben, die frei von den Verkrustungen eines langen geschichtslosen Zeitraumes sind. Seine Wahrheit ist eine auf geistiger Erfahrung beruhende Eroberung, die durch die Liebe zur Holzschnitzerei still befruchtet und in der Einsamkeit eines Bergdorfes erlebt wird, so als wäre die Welt von heute nur eine wahnwitzige utopische Erscheinung.